Osteopathie Kinder

Zervikale Dysfunktion C0/C1 beim Säugling
Patient männlich, geb. am 02.08.2002
 

Vorgeschichte
Aufgrund Kinderwunsches hat sich die Mutter vor ihrer ersten Schwangerschaft einer Hormonbehandlung mit Menogon unterzogen. Weihnachten 2001 in der 9. SSW setzten vaginale Blutungen ein, vermutlich aufgrund intrauteriner mitgewachsener Zysten, die sich zunächst größer als der Embryo bis zur 13. SSW darstellen ließen. Von der 9. bis 13. SSW  erhält die Mutter Utrogest als Tabletten. Weitere Medikamente in der Schwangerschaft sind Magnesium bis zur Entbindung, Ferrofol gamma bis zur 32. SSW und 1 x/Woche Medivitan i. m. ab der 23. SSW. Gegen Ende der Schwangerschaft bestehen leichte Wassereinlagerungen in den Beinen.
Am 01.08.2002 setzten gegen 14:20 Uhr die ersten Wehen ein, die Mutter kommt um 23:45 Uhr in den Kreißsaal, zu diesem Zeitpunkt ist der Muttermund 4 cm weit. Die Mutter erhält keine PDA.
Am 02.08.2002 um 06:46 Uhr wird der Junge mit Nabelschnurumschlingung geboren.
Nach Auskunft der Mutter hat der Sohn nicht sofort saugen können, er fällt durch Schreiattacken im Krankenhaus in den ersten Lebenstagen auf, so dass für Mutter und Kind eine Stresssituation entsteht. Stillprobleme in der Folge treten sowohl von mütterlicher wie von kindlicher Seite auf.
Ab dem 10. Tag wird keine Milch mehr gebildet. In den ersten 4 Lebenswochen wacht das Kind tagsüber mit Schreien aus dem Schlaf wegen heftiger Bauchkrämpfe und Blähungen auf.
Die Mutter bemerkt eine Kopffehlhaltung mit Drehung des Kopfes nach links.
 

Befund
Erstvorstellung am 12.09.2002 in der Akutsprechstunde mit der Frage, ob bei dem Jungen ein KISS-Syndrom vorliegen könnte. Bei der klinischen Untersuchung zeigte sich eine Kopffehlhaltung mit Neigung nach rechts und Drehung nach links (Abb. 1), eine Überstreckhaltung im Sinne eines Opisthotonus, ein extremer Blähbauch mit gespannter Bauchdecke bei extrem unruhigem Kind mit heftigen Schreiattacken. Leichte kraniale Dysmorphie mit enger Lidspalte und kleinerer Gesichtshälfte rechts.
Befund einer hochzervikalen Dysfunktion C0/1 SR1 Strain im Lig. nuchae und eines deutlich  myofaszialen Hartspanns des gesamten Abdomens.

Behandlungsmaßnahmen
Bei extrem unruhigem, sich streckendem, schreiendem Kind zunächst viszeral behandelt mit Mesenterial Release. Die Bauchdecke entspannt sich, das Kind schläft innerhalb von 2 Min. fest und tief ein! Anschließend Behandlung der zervikalen Typ I Dysfunktion mit condylärer Dekompression und komplexer STILL-Technik an C1 mit Translation und Rotation. Das Kind wacht dabei nicht auf, die Dysfunktion lässt sich vollständig beseitigen, so dass das Kind zum Abschluss der Behandlung mit Kopfdrehung nach rechts schlafend aus der Behandlung entlassen werden kann (Abb. 2).

 


Abb. 1:
Patient vor der Behandlung, Kopf nach links gedreht, nach rechts gekippt


Abb. 2:
Patient nach der Behandlung – schlafend, Kopf in physiologischer Stellung nach rechts gedreht

 

Weiterer Krankheitsverlauf
Bei der Wiedervorstellung nach 1 bzw. 2 Wochen berichtet die Mutter, dass das Kind jetzt sein Köpfchen auch nach rechts drehe, es sei zufriedener, entspannter, lächle viel. Die Bauchkrämpfe und Blähungen haben deutlich nachgelassen, die Verdauung war jetzt normalisiert. Das Durchschlafverhalten sei deutlich gebessert.
Im März 2003 Wiedervorstellung wegen Spuckens.
Befund: Strain des Lig. falciforme hepatis und des Lig. nuchae und Inhalationsdysfunktion des Zwerchfells. Behandlung wieder mit kondylärer Dekompression, direktem MFR des Lig. nuchae, Mesenterial Release, LAS-Technik des Lig. falciforme hepatis und MFR Technik des Diaphragmas. Wiedervorstellung im Mai 2003. Kein Spucken mehr!

Kontaktadresse: Dr. med. Franz Rotering, Königstr. 1, 48691 Vreden

Kommentar
Das Fallbeispiel stellt für mich eine schöne und klassische Behandlung eines Neugeborenen dar. Das Hauptaugenmerk für die so erfolgreiche Behandlung liegt für mich in der Tatsache, dass der Junge mit einer Nabelschnurumschlingung geboren wurde. Dadurch ergibt sich einerseits ein Zug an den abdominalen Faszien, andererseits aber auch eine Bewegungseinschränkung und Beeinträchtigung des Bindegewebes im Bereich C0-C1. Eine eingeschränkte Flexibilität des Kindskopfes in utero bzw. während des Geburtsvorganges kann die Hirnnerven IX, X und XI nach ihrem Durchtritt durch das Foramen jugulare irritieren, was u. a. Störungen des Schluckaktes, Torticollis und Darmkoliken nach sich ziehen kann. Durch die Entspannung der Abdominalfaszien und die Behandlung des kraniozervikalen Übergangs wurde die Störungskette erfolgreich durchbrochen.

Walter Krasser, D. O., Graz, Österreich
Wissenschaftlicher Beirat der “Osteopathischen Medizin”

Artikel aus Heft 4/2003 Osteopathische Medizin

 

 

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